Ausflug an die Sonne oder wohin uns die Räder bringen

Ausflug an die Sonne oder wohin uns die Räder bringen

Patient*innen die schon mehrere Tage auf der Intensivstation sind, verlieren oft den Bezug zur Außenwelt. Wochentage und Tages- oder Jahreszeiten sind nicht mehr fassbar. Oft hängt im Zimmer eine Tafel mit dem aktuellen Wochentag und Datum. Pflegefachpersonen und Angehörige informieren über die Uhrzeit, das Wetter und vielleicht sogar welche Blumen gerade blühen. Meist scheint es aber, als wären es für die Patient*innen nicht viel mehr als Worte.

Ausflüge in den Garten helfen dabei, diesen Aussagen wieder Leben zu geben. Den Wind und die Sonne spüren, die Wolken am Himmel vorbeiziehen sehen und die Geräusche des täglichen Lebens hören. Auch ein Besuch des geliebten Haustieres kann so möglich gemacht werden. Es muss aber nicht immer ein Garten sein, ein Platz an der frischen Luft reicht oftmals auch. Wenn die Patient*innen nicht zwingend auf ein Bett angewiesen sind, steht auch einem Besuch in der Spitalcafeteria nichts im Weg.

Es ist aber sehr wichtig zu wissen, mit einem*einer Patienten*Patientin der Intensivmedizin einen Ausflug außerhalb der Intensivstation zu machen, ist medizinisch, pflegerisch und logistisch eine sehr große Herausforderung. Die Möglichkeit die Intensivstation kurzfristig zu verlassen, ist abhängig von vielen Faktoren.

Die Vorbereitung

Zwei wichtige Aspekte sind: Möchte der*die Patient*in das überhaupt und wie ist der aktuelle Gesundheitszustand? Ist der*die Patient*in stabil genug, wach genug oder haben wichtige Therapien und Untersuchungen Vorrang? Das sind aber nur einige Fragen, die es im Vorfeld zu klären gibt. Fast genauso wichtig: Wie sieht die personelle Situation auf der Station aus? Der*Die Patient*in muss von mindestens zwei Personen begleitet werden - einem*einer Experten*Expertin der Intensivpflege und einer Assistenzperson. Wenn das alles geklärt ist, bleibt noch die Suche nach einem geeigneten Platz oder nach einem Garten. Die Zufahrt nach draußen darf keine großen Steigungen enthalten und muss mit dem Bett gut erreichbar sein. Der gewählte Ort liegt idealerweise in der Sonne und bietet den Patient*innen einen schöneren Ausblick, als der aus dem Patient*innen-Zimmer.

Vor- und Nachbereitung eines solchen Transports beanspruchen einige Zeit. Vor der Abfahrt müssen alle wichtigen Geräte und Medikamente auf eine Art „kleine, mobile Intensivstation“ gepackt werden. An dem sogenannten Transportgestell findet sich ein Beatmungsgerät mit Sauerstoffflaschen, ein Monitor zur Überwachung von Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Blutdruck und dergleichen, eine Notfalltasche, eine «Sugi»(Sauger) - damit der Beatmungsschlauch jederzeit von Sekret befreit werden könnte und noch einiges mehr. Alle Geräte müssen genau so eingestellt werden, wie diejenigen, die die Patient*innen im Zimmer benötigen. Das Transportgestell hat eine Vorrichtung, damit sie direkt am Bett befestigt werden kann. Zusammen mit dem*der Arzt*Ärztin wird besprochen, wohin genau der Ausflug geht, damit Hilfe im Notfall schnell an den richtigen Ort kommen kann.

Jetzt geht es los

Vor Abfahrt wird noch einmal alles kontrolliert. Ist jeder Schlauch, jedes Kabel an seinem Platz und gesichert? Sind alle wichtigen Medikamente dabei und auch genügend Reserve? Ist alles besprochen und durchdacht, falls eine Notfallsituation unterwegs eintreten würde? Ist soweit alles klar? Dann kann es losgehen!

Oftmals sind die Wege nach draußen geprägt von Liftfahrten und engen Kurven. Einmal links und viermal rechts, und so landen wir am Schluss tatsächlich im Tageslicht. Die Patient*innen werden während der Fahrt über Etagen- und Richtungswechsel informiert, eine große Orientierungshilfe ist es aber leider meistens nicht.

Jedoch ist es immer wieder schön zu sehen, wie sehr die Patient*innen es genießen, die Sonnenstrahlen zu spüren. Aber auch Regentropfen sind immer wieder beliebt. Beides gibt den Patient*innen ein neues Körpergefühl. Eine Brise im Gesicht, eine Blume an der Nase, die so alltäglichen Dinge gewinnen an enormen Wert.

«Ich, als Expertin der Intensivpflege, empfinde die Momente im Garten oftmals als innig. Ein Moment der Ruhe zwischen der Hektik der Intensivstation und Krankheit. Für einen kurzen Moment geht es nicht darum zu heilen, zu pflegen oder zu trainieren. Es geht nur darum, den Moment zu genießen. Pflegefachpersonen und Patient*innen schaffen sich eine Erinnerung außerhalb der Intensivstation. Diese Ausflüge bringen den Patient*innen oft neue Motivation, für den manchmal so tristen Rehabilitations-Alltag»(zit. Sabrina Exl. Diplomierte Expertin Intensivpflege, NDS HF IP).

Die Besuche im Garten sind zwar meist von kurzer Dauer. Die Vorbereitung, die Fahrt nach draußen und die vielen neuen/alten Eindrücke erschöpfen die Patient*innen schnell. Auch der Weg zurück auf die Station und das Gewusel am Bett nach dem Transport sind für die Patient*innen an Anstrengungen nicht zu unterschätzen. Bis jedes Kabel und jeder Schlauch wieder an seiner Position fixiert und kontrolliert ist, dauert es manchmal länger als der eigentliche Aufenthalt draußen.

Ein Ausflug in den Garten ist also für Pflegefachpersonen und Patient*innen anspruchsvoll, aber auf jeden Fall ist er die Mühe wert!

Zusatzinformationen

Interessenskonflikte: Keine
Autor*innen: Sabrina Exl. Diplomierte Expertin Intensivpflege, NDS HF IP
Redaktion: PD. Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA,RN Dr. Marie-Madlen Jeitziner,RN, Bianca Stoiser BA MA,
Datum: 05.04.2023
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: Nathalie Schlögl, nursing.backstage
Weiterführende Literatur:
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